Haushaltsrede 2023

26.01.2023

In der Gemeinderatsitzung vom 26.01.2023 wurde der neue Haushalt verabschiedet. Lesen Sie hier die Haushaltsrede unseres Fraktionssprechers Michael Hornbruch.

Haushaltsrede 2023

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrter Herr Binz,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,

sehr geehrte Damen und Herren,

Grundsätzliches

Unser Gundelfingen ist so lebens- und liebenswert, weil sich viele Menschen in Vereinen, Initiativen, Kirchen und am „Dorfleben“ beteiligen. Nach Corona lebt dieses Dorfleben wieder auf und wir sind allen ehrenamtlich engagierten Mitbürgern*innen sehr dankbar für ihr Engagement.

Vieles ist wünschenswert und verbesserungswürdig, alles für Gemeindeverwaltung und Gemeinderat ist nicht möglich. Ziel muss der Kompromiss und des Miteinander in der Dorfgemeinschaft sein. Viel haben wir erreicht und es wichtiger denn je, dass wir das Erreichte wertschätzen und erhalten. Dafür setzen sich die Freien Wähler mit Herzblut ein. Ohne starre Ideologie und Verboten, sondern mit Sachverstand und  immer mit dem Blick auf das Wohl der Allgemeinheit und das Machbare.

Überschattet wurde das Jahr 2022 mit dem unmenschlichen Angriffskrieg auf die Ukraine. Immer mehr Kriegsflüchtlinge sind unterzubringen. Wir danken allen ehrenamtlichen Helfern*innen und Wohnungseigentümer*innen für die Unterstützung der Gemeinde bei dieser Aufgabe. Die große Hilfs- und Spendenbereitschafft ist beeindruckend. Um eine Hallenbelegung als Notunterkunft zu vermeiden, werden wir mit dem Landkreis gemeinsam Unterkünfte schaffen müssen. Hier hoffen und wünschen wir uns Verständnis der Bevölkerung und eine maßvolle Bebauung.

Die Gemeinde hat viele Wohnungen angemietet. Einige Bürger*innen meinen, die Gemeinde würde in Konkurrenz zu den heimischen Wohnungssuchenden treten. Wir als Gemeinderat achten sehr darauf, dass wir uns nicht an Mietwucher und überhöhten Mieten beteiligen und bei der Anmietung immer auf moderate Mieten achten. In diesem Sinne ist die Gemeinde ein fairer Teilnehmer auf dem heiß umkämpften Wohnungsmarkt.

Wir haben als Kommune leider keine Alternative zu diesem Vorgehen, denn die Unterbringung von obdachlosen Menschen, seien sie Einheimische, Flüchtlinge oder anderer Herkunft ist gesetzliche Aufgabe und Verpflichtung der Gemeinde, auch der eigenständigen Gemeinde Heuweiler.

Wir Freien Wähler sehen Entscheidungen des Gemeinderates nicht nur auf eine Wahlperiode beschränkt, sondern manche Entscheidungen bestehen prägend über Jahrzehnte. Die Vorfinanzierung der Sporthalle, die Mitfinanzierung der Sanierung des Schulzentrums vor einigen Jahren, die jetzt getroffenen Entscheidungen zur Finanzierung des Neu- und Anbaus des Feuerwehrhauses, den Neubau der Grundschule und die Sanierung des Obermattenbades bedarf der Kreditaufnahme und der langfristigen Finanzierung.

Die Wirtschaft stärken, Arbeitsplätze schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird, nach der Stärkung unseres Schulstandortes und der Kinderbetreuung, der politische Schwerpunkt der Freien Wähler in den kommenden Jahren sein.

Ihnen Herr Binz als Kämmerer und Ihrem Team herzlichen Dank für Ihre Arbeit bei der Vorbereitung der Haushaltsberatungen. Danke für Ihren Fleiß und die Nerven in den Beratungen, denn wir beschließen heute den Haushalt 2023 und damit den zweiten Haushalt in Folge mit einem strukturellen finanziellen Defizit.

Übersetzt bedeutet dieses, dass wir in unserer Planung mehr Geld ausgeben, als wir einnehmen. Das sehen wir sehr kritisch.

Gewerbe

Bereits im Haushaltsentwurf 2022 planten wir mit einem Defizit, welches wir glücklicherweise durch unerwartet hohe Gewerbesteuereinnahmen ausgleichen konnten.

Hier gilt unser Dank und unser Lob den Gewerbebetrieben, die mit Ihren sehr guten Geschäftsergebnissen zur finanziellen Stabilität der Gemeinde Gundelfingen in erheblichen Maßen beigetragen haben.

Wir müssen uns jedoch fragen:

können wir uns jedes Jahr auf solche Gewerbesteuereinnahmen verlassen?

Was tun wir als Kommunalpolitik für unsere Gewerbetreibenden und den Handel?

Arbeitgeber leiden unter Fachkräftemangel und müssen vor Überlastung und Ausfall geschützt werden.  Deshalb fordern wir eine aktive und gewerbe-freundliche Kommunalpolitik und endliche die Umsetzung unserer Vorhaben zur Stärkung des Gewerbes.

Ist Gundelfingen noch ein zukunftsweisender attraktiver Standort für Handel, Handwerk und Betriebe?

Aus Sicht der Freien Wähler tut die Gemeindeverwaltung und der Gemeinderat zu wenig für das Gewerbe, den Handel und Dienstleistungsunternehmen. In den letzten Jahren haben wir uns schwerpunktmäßig mit der Kinderbetreuung und der Sanierung oder Neubauplanung unserer Schulen beschäftigt.

Hier haben wir Millionenbeträge investiert und planen weitere Millioneninvestitionen. Das Gewerbe, welches uns über 6 Millionen Euro Gewerbesteuer in die Kassen spült, scheint vergessen.

Zu Beginn der letzten Wahlperiode, das ist nun acht Jahre her, haben wir beschlossen, die Bebauungspläne im Gewerbegebiet zu überarbeiten, mit dem Ziel, das Gewerbegebiet aufzuwerten und weitere Entwicklung zu ermöglichen.  Wurde dieser Plan umgesetzt? Die Antwort lautet Nein.

Die Fraktionen der SPD, der CDU und der Freien Wähler haben einen Antrag zur Sondierung eines interkommunalen Gewerbegebietes westlich der B 3 gestellt. Wurde dieser Antrag im Gemeinderat debattiert? Wurden Gespräche mit der Stadt Freiburg intensiv geführt? Die Antwort lautet Nein.

Tagt der Treffpunkt Gundelfingen, ein Forum zum Austausch zwischen Verwaltung, Vereinen und Gewerbe, zur Stärkung der Ortsmitte regelmäßig?

Die Antwort lautet auch hier Nein!

Ortsmitte

Es gibt Anträge zur Umgestaltung der Ortsmitte und des Sonneplatzes. Ziel dieser Anträge ist die Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Die Fraktion der Grünen im Gemeinderatskollegium möchte hier neun überirdische Autostellplätze abschaffen und zu Grünflächen umgestalten. Wurde das mit den Gewerbetreibenden besprochen im Vorfeld der Antragstellung? Stärken wir als Gemeinderat damit unsere Ortsmitte als Wirtschaftsstandort?

Unsere Argumente: Die Ortsmitte lebt von unseren Geschäften und Arztpraxen. Nur durch Frequenz entsteht Umsatz und damit eine attraktive Ortsmitte. Kranke und zu Behandelnden sind auf das Auto angewiesen und brauchen Parkplätze sowie kurze Wege. Alte Menschen brauchen die Nahversorgung.

Eine belebte Ortsmitte schafft Aufenthaltsqualität und menschliche Begegnungen. Wir sehen hier auch das vorgesehene Investitionsvolumen sehr kritisch, denn obwohl hier hohe Fördergelder in Aussicht stehen, wird dieses Vorhaben vermutlich mit Krediten finanziert werden müssen.

Können wir uns das in Anbetracht unserer geplanten wichtigen Zukunftsinvestitionen in Grundschule, Obermattenbad und Feuerwehr wirklich leisten?  Die Fraktion der Freien Wähler fordert an diesem Beispiel von Verwaltung und Gemeinderat ein behutsames und sparsames Umgehen   mit Steuergeldern.

Kostenentwicklung

Vieles ist „Nice to have“, aber nicht unbedingt nötig. Insbesondere wenn die Wirtschaft einer Rezession entgegensieht.  Die staatliche Förderbank KFW sieht einen schleichenden Wohlstandsverlust in Deutschland in den nächsten Jahren, die Handwerkskammer weist auf weiterhin höhere Handwerkerpreise hin.

Die Inflation und Energiepreise sind weiterhin auf einem Rekordhoch und die EZB kündigt weitere Zinserhöhungen an. Lohnforderungen von bis zu 15% werden in einigen Branchen gefordert. Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst beginnen in den nächsten Wochen. Diese Entwicklung wird auch die Gemeinde Gundelfingen als Kommune finanziell treffen.

Es ist mit weiteren Kostensteigerungen im kommunalen Haushalt zu rechnen, insbesondere bei den Finanzierungskosten unserer Investitionsvorhaben.

Daher fordern wir die Verwaltung auf, Wege aufzuzeigen, wie ein ausgeglichener Haushalt für 2024 aufgestellt werden kann. Hierzu sind auch entsprechende Neukalkulation der Gebührensätze der Verwaltung zeitnah notwendig.

Jede Abmangelungsfinanzierung der Gemeinde in allen Bereichen ist zu reduzieren. Wir können nicht Jahr um Jahr einen defizitären Haushalt aufstellen, in der Hoffnung doch mehr Einnahmen zu erzielen.

Stellenpläne

In den Haushaltsberatungen haben wir uns bei der Genehmigung des Stellenplans enthalten, da wir die weitere Schaffung von Personalstellen sehr kritisch sehen. Insbesondere wurden uns schriftliche Personalkonzepte von der Verwaltung versprochen, die leider nicht vorgelegt wurden. Wir bitten um Erstellung von lückenlosen Stellenbeschreibungen und ggf. um Neuordnung der Arbeitsteilung innerhalb der Ämter mit dem Ziel Reibungsverluste durch den Abbau von Schnittstellen und unterschiedliche Zuständigkeiten innerhalb eines Aufgabengebietes abzubauen.

Wir sehen unsere Enthaltung als Gelbe Karte in den jetzigen Haushaltsberatungen, was den Stellenplan angeht, und hoffen in den künftigen Haushaltsberatungen nicht die rote Karte für den Gesamthaushalt ziehen zu müssen.  

Die Prokopfverschuldung wird steigen und in einigen Jahren deutlich über dem Landesdurchschnitt liegen. Die Tilgung- und Zinslasten werden die Handlungsfähigkeit und Gestaltungsmöglichkeit, des Bürgermeisters, der Gemeindeverwaltung und des zukünftigen Gemeinderates erheblich einschränken.

Vermutlich wird es immer schwerer sein, Ausgaben zu erwirtschaften. Durch Kreditaufnahmen mit Laufzeiten von bis zu dreißig Jahren belasten wir die nächsten Generationen. Das sollte uns bewusst sein. Daher müssen alle Generationen die Lasten tragen. Wir als Volksvertreter sollten maßvoll und pragmatisch die Herausforderungen angehen. Aus unserer Sicht gehört dazu ein ausgeglichener Haushalt bereits in der Planung und Aufstellung.

Betreuung von Kindern im Kindergartenalter

Wir bestehen weiterhin auf eine gut ausgebaute Kinderbetreuung und hier vor allem auf längere Öffnungszeiten sowie einer gesicherten Ferienbetreuung. 

Letzteres, also die Ferienbetreuung und die Entzerrung der Schließzeiten unserer Kindergärten ist uns hier besonders wichtig, da nur so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter ausgebaut werden kann.

Hier sind wir als Fraktion von den Trägern unserer Kindergärten sehr enttäuscht, da diese keinerlei personelle und konzeptionelle Lösungsideen beisteuern und sich einer Flexibilisierung der Ferienzeiten und eines Betreuungsangebotes in den Ferien total verschließen.

Kinderbetreuung ist kommunale Aufgabe und wir fordern die Verwaltung auf, diese kommunale Aufgabe auch in den Ferien zu sichern für Kinder und Eltern, die aus beruflichen Gründen eine Kinderbetreuung in den Ferien dringend und zwingend benötigen.

Bauvorhaben

Wir brauchen eine gut ausgestattet und einsatzfähige Feuerwehr. Hier sind wir der Feuerwehr besonders dankbar für Ihre erfolgreiche Jugendarbeit. Immer mehr Jugendliche wechseln in die aktive Wehr. Umkleiden werden knapp, Geschlechtertrennung ist nicht möglich und Hygiene- und Unfallverhütungsvorschriften können nicht mehr eingehalten werden.

Einsatzfahrzeuge haben keine Garage und die Jugend ist in Behelfsunterkünften untergebracht. Der An- und Umbau ist nun dringend erforderlich und wir sind dankbar, dass die politischen Diskussionen über Art und Weise von der utopischen Idee von Schiffscontainern bis zum jetzigen Planentwurf abgeschlossen sind. Nun gilt es in die zügige Umsetzung des Bauvorhabens einzusteigen. Die Feuerwehr hat geliefert und beweist ihre personelle zukünftige Einsatzstärke, jetzt muss die Politik liefern. Wir Freien Wähler freuen uns auf diese gemeinsame Aufgabe.

Die Wohnungsnot in Gundelfingen ist groß. Selbst die Bundesregierung gibt zu, ihr selbst gestecktes Ziel von jährlich 400.000 Wohnungen in 2022 verfehlt zu haben und in 2023 ebenfalls verfehlen wird. Umso dringender ist die zügige Bearbeitung des Bebauungsplanes Nägelesee-Nord und die Schaffung neuen Wohnraumes für alle Einkommensklassen. 

Nicht zuletzt hat die Immobilienwirtschaft erheblich zu den erfreulichen Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinde beigetragen. Wir freuen uns über die erfolgten Architektenwettbewerbe und das Ergebnis. Wir wünschen uns, dass wir politisch Baurecht bis Ende 2023 schaffen und dass es 2024 endlich losgehen kann mit der Schaffung von Wohnraum im Nägelesee-Gebiet Nord für alle Generationen und Einkommensklassen.

Fazit

Es gibt viel zu tun – zu verbessern, verändern, neu zu denken.

Mit den hier gemachten deutlich kritischen Anmerkungen stimmt die Fraktion der Freien Wähler der Haushaltsatzung und dem Haushalt zu.

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