17.12.2020
In der Gemeinderatsitzung vom 17.12.2020 wurde der neue Haushalt verabschiedet. Lesen Sie hier die Haushaltsrede unseres Fraktionssprechers Michael Hornbruch.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Walz,
sehr geehrter Herr Binz,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
sehr geehrte Damen und Herren,
heute beschließen wir nach intensiven und langen Sitzungen die Haushalts-satzung und den Haushaltsplan 2021. Es waren die schwierigsten und anstrengendsten Beratungen seit langem. Bereits in 2019 beschlossen wir, mit einem Defizit von 490.000 Euro im Ergebnishaushalt ins Jahr 2020 zu gehen. Damals sagte ich: „Wir Freien Wähler haben Bauchschmerzen“. Zu unserem Bauchgefühl später mehr.
Und dann kam Corona und der erste Lockdown mit Schulschließungen und Kindernotbetreuung. Zwei Monate fanden keine Sitzungen statt. Das Rathaus arbeitete mit Terminvergaben, ein Nottelefon wurde eingerichtet, die Beschlüsse des Gemeinderates wurden im Umlaufverfahren per Mail herbeigeführt. Schutzmasken und Desinfektionsmittel wurden beschafft und ein Corona-Krisenstab gebildet. Tägliche und wöchentliche Verordnungen fluteten die Verwaltungscomputer. Das Hauptamt unter der Leitung unseres neuen Hauptamtsleiters arbeitetete im Krisenmodus. Herr Müller als Ortsbaumeister nutzte den Lockdown und zog notwendige Instantsetzungen und Wartungsarbeiten in den Schulen und in den öffentlichen Gebäuden vor. Dadurch haben Sie, Herr Müller, auf pragmatische und synergetische Weise die Zeit genutzt und das örtliche Handwerk unterstützt. Gleiches geschah im Obermattenbad unter der Leitung des neuen Geschäftsführers der GWH, Herrn Altmann.
Im Mai fanden die ersten Sitzungen des Gemeinderates und der Ausschüsse unter Hygieneauflagen statt. Unser Kämmerer Herr Binz, als Wächter der Zahlen, arbeitete unter erschwerten Bedingungen aufgrund Krankheitsausfall des Mitarbeiters, der Ihn eigentlich entlasten und bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz unterstützen sollte bis spät in die Nacht. Der Krankheitsausfall besteht bis heute ununterbrochen fort, und daher ist es verständlich, dass die Eröffnungsbilanz auch heute noch nicht vorliegen kann. Jedoch ist es schwierig, die Gemeindefinanzen langfristig zu überblicken, wenn die Vermögensbewertungen und damit die genaue Höhe der zu erwirtschaftenden Abschreibungen nicht ermittelt sind bzw. werden können.
Erste Zwischenergebnisse der Corona bedingten Einnahmeausfälle wurden von Herrn Binz im Juli vorgestellt. So wie alle Kommunen hat auch Gundelfingen Steuermindereinnahmen zu verzeichnen. Das Planungsdefizit zu Beginn des Jahres schien sich zu vergrößern. Sollten wir noch mehr unser Konto überziehen müssen? Kann die Gemeinde Ihre laufenden Ausgaben weiterhin nicht decken?
Nach den Sommerferien im September/Oktober teilte Herr Binz mit, dass sich unsere Negativ Bilanz weiter verschlechtere, aber durch die großzügigen Ausgleichzahlungen gegen null bewegen würden. Somit können wir das Haushaltsjahr 2020 vermutlich durch Zahlungen des Landes und des Bundes ausgleichen und mit einer schwarzen Null abschließen. Das ist erfreulich und lindert die Bauchschmerzen der Freien Wähler wie ein Schmerzmittel, beseitigt aber nicht die Ursache der Beschwerden.
Die Haushaltsberatungen begannen Ende Oktober und zogen sich bis Anfang Dezember. Die Verwaltung legte Mittelanforderungen, das heißt Bedarfe der einzelnen Ämter für Instanthaltung, Erhaltungsmaßnahmen, Material für den laufenden Betrieb und Neuanschaffungen, vor. Die Ausgabennotwendigkeiten und Wünsche überstiegen die Einnahmen der Gemeinde um 1,052 Mio. Euro.
Wieder zeigte sich die gleiche Ausgangslage in den Haushaltsberatungen wie in 2019, nur mit dem Unterschied, dass wir nicht mit einer halben Million Euro starten, sondern unser Konto am Ende des Jahre 2021 mit einer Million Euro überziehen würden. Nach der ersten Finanzausschusssitzung, in welcher wir lediglich 10 % Einsparungen erzielen konnten, gab der Ausschuss auf Initiative der Freien Wähler den Arbeitsauftrag, das Defizit um 50 % zu drücken und entsprechende Einsparvorschläge zu erarbeiten. Binnen einer Woche bis zum nächsten Sitzungstermin ist dies der Verwaltung gelungen. Dies ist bemerkenswert, und wir danken den Amtsleitern und allen Mitarbeitenden im Rathaus für die konstruktiven und pragmatischen Einsparvorschläge.
Durch Streichungen, Kürzungen und durch das Schieben von Maßnahmen reduzierten wir die roten Planungszahlen erfolgreich. Jedoch werden diese Ausgaben in den nächsten Jahren bei mehr oder weniger gleicher Einnahmensituation auf die Gemeinde zwingend zukommen. Somit bleibt eigentlich nur der Schritt, die Einnahmesituation der Gemeinde zu verbessern, zumal die Einnahmeausfälle noch bis in der Jahr 2023 reichen werden.
Der Finanzausschuss beschloss, alle Gebühren in 2021 nach zu kalkulieren und entsprechend der Kostensteigerung in den letzten Jahren unter Maßgabe der vollständigen Kostendeckung anzupassen. Ebenso beschloss der Finanzausschuss schweren Herzens eine Steuererhöhung (nach 16 Jahren stabilen Hebesätzen) der Grund- und Gewerbesteuer. Letztere Steuerart zu erhöhen sehen die Freien Wähler kritisch, zumal für das Gewerbe politisch nicht sehr viel in den vergangenen Jahren gemacht wurde. Hier hätten wir uns eine moderatere schrittweise Erhöhung gewünscht. Fraglich ist jedoch, ob noch genügend Gewerbebetriebe nach der Pandemie vorhanden oder ob ausreichende Gewinne zu erwirtschaften sind bei weiterer Abgabenlast. Wo kein Gewerbe mehr ist oder keine Zukunftsperspektive für den Mittelstand geschaffen wird, da ist auch keine Steuereinnahmequelle.
Gegenüber Freiburg und der vergleichbaren Gemeinde Merzhausen erheben wir vergleichsweise niedrigere Steuern, auch mit den nun zu beschließenden höheren Hebesätzen.
Wir begrüßen ausdrücklich die großzügige Bezuschussung des Breitbandausbaues und den Beschluss dessen der Umsetzung in Gundelfingen und Wildtal, jedoch fordern wir hier eine sehr schnelle Verwirklichung. Die Fertigstellung der Bebauungspläne im Gewerbegebiet lassen seit Jahren auf sich warten. Ob der überfraktionelle Antrag von SPD, CDU und Freien Wählern auf Ausweisung eines neuen Gewerbegebietes schnell zu realisieren sein wird, ist fraglich.
Selbst mit den hier genannten Maßnahmen von Kürzungen bzw. Gebühren- und Steuererhöhungen werden wir weiterhin unsere Ausgaben nicht gänzlich decken können. Wir haben jedoch das Defizit von anfangs einer Million auf minus 160.000 Euro gedrückt. Alles in Allem eine bittere Medizin, mit Bauchweh oder ohne, für alle Bevölkerungsschichten von Gundelfingen.
Kritisch anzumerken ist die Entwicklung der Personalkosten der Verwaltung. Diese betrugen im Jahr 2000 noch 2.997 Mio. Euro im Jahr. Das sind 260 € je Einwohner und Jahr bei 11.126 Einwohnern, so betragen die Personalkosten in diesem Jahr 5.67 Mio. €, also 487€ je Einwohner bei 11.656 Einwohnerinnen. In 20 Jahren haben wir einen Bevölkerungszuwachs von 560 Personen. Der geringe Zuwachs der Einwohnerinnen ist dem geringen zur Verfügung stehenden Wohnraum geschuldet. Immer mehr gemeindliche Aufgaben wie z.B. die kommunale Kinderbetreuung oder weitere gesetzliche Vorgaben, die Manpower benötigen, müssen mehr oder weniger die gleiche Einwohnerinnenzahl bzw. Steuerzahlerinnen leisten. Auch diese Zahlen verdeutlichen sehr die Notwendigkeit eines neuen Baugebietes, um die Personalkostenlast auf mehr Schultern, sprich Einwohnerinnen zu verteilen. Mehr Einwohnerinnen bedeuten auch mehr Steuer- und Umlageeinnahmen durch das Land. Aber auch die Verwaltung ist angehalten, durch Optimierung der Arbeits- und Verwaltungsvorgänge Stellenanteile einzusparen.
Kurz zum Neubaugebiet: Der Gemeinderat steht geschlossen hinter diesem Vorhaben. Das ist mehr als Bemerkenswert und wir danken für diese Geschlossenheit. Jede Fraktion hat Ihre Position in Arbeitspapieren erarbeitet. Bei positivem Ausgang des Bürgerentscheides werden wir gemeinsam mit den Bürgerninnen dieses Vorhaben weiterentwickeln. Allen Rats-Kollegeninnen danken wir für die sehr konstruktiven und kreativen Beratungen. Wir freuen uns auf den Prozess ab März/April 2021 und hoffen auf eine zeitnahe Realisierung von weiteren lebenswertem Wohnraum in Gundelfingen.
Im Investitionshaushalt haben wir für die Bedürfnisse unserer Feuerwehr in Zusammenarbeit mit dem DRK und für das Möbellager pragmatische, kostengünstige und schnell umsetzbare Lösungen gefunden. Für die Zugeständnisse und die Kooperation der Beteiligten bedanken wir uns sehr herzlich. Insbesondere der Verzicht auf einen großen Umbau des Feuerwehrhauses entlastet unsere langjährige Finanzplanung deutlich und ermöglicht dennoch die schrittweise bedarfsgerechte Erweiterung in Modulbauweise.
Für das Kinderhaus wurden Zuschüsse in Aussicht gestellt und wir hoffen auch hier, dass wir dieses Projekt in 2021 weiterverfolgen und wenn möglich auch starten können. Entsprechende Mittel, finanziert durch Schuldenaufnahme, haben wir in den Haushalt aufgenommen. Auch die Mittel für die Jugendhütte stehen bereit. Jedoch fordern wir hier den Bau und die Nutzung erst dann anzugehen, wenn die Pandemielage eine uneingeschränkte Nutzung erlaubt.
Weitere Investitionen stehen im Obermattenbad an. Diese belaufen sich auf ca. 5 Mio. Euro. Hier hat die Gemeinde die Möglichkeit einen Zuschuss von 45 % der Kosten zu erhalten. Entsprechende Beschlüsse wurden gemacht und 55 % der Gesamtsumme in die Finanzplanung bis 2025 aufgenommen.
Die Fertigstellung der Einfeldhalle und weiterer Klassenräume wurde in Rekordbauzeit realisiert, belastet unseren Haushalt jedoch durch die Vorfinanzierung des 70%tigen Anteils des Landkreises über die nächsten Jahre hinweg.
Die Grundschule hat ein pädagogisches Konzept für eine Ganztagesschule erarbeitet. Die Umsetzung erfordert bauliche Maßnahmen sowohl im Neubau als auch in den Bestandsgebäuden. Hier werden noch Anpassungsgespräche zwischen Schule, Eltern und der Gemeinde als Schulträger nötig sein. Wir als Freie Wähler freuen uns auf konstruktive Gespräche, die eine pragmatische Umsetzung dieses Projektes in den nächsten Jahren ermöglichen sollten.
Insgesamt gehen wir jetzt von einer Schuldenaufnahme in den Jahren 2020 bis 2024 von insgesamt 15,5 Mio. € aus. Das bedeutet eine durchschnittliche Kreditaufnahme von 3,875 Mio. pro Jahr. Die Laufzeiten der Darlehen belaufen sich auf 10 bis 30 Jahre. Das bedeutet, dass die nächste Generation noch an diesen Investitionen abbezahlen wird. Wir werden unsere Rücklagen aufbrauchen und hoffen durch die Einnahmenverbesserung nicht nur die laufenden notwendigen Ausgaben zu kompensieren, sondern auch die Neuverschuldung zur Investitionsfinanzierung zu minimieren.
Besonders freut uns Freie Wähler, dass der Rat unserem Vorschlag zur Temporeduzierung in Wildtal gefolgt ist und dass die beiden neuen Zebrastreifen realisiert werden können. Auch konnte der Rathauseingang behindertengerecht gestaltet werden. Wir Freien Wähler werden bei der angespannten Haushaltslage keine kostenträchtigen Anträge in den nächsten Monaten stellen und somit unseren Beitrag zur Konsolidierung leisten. Weitere Vorhaben, die durch unsere Anträge in den Haushalt aufgenommen waren, wurden bereits durch unsere Initiative verschoben.
Abschließend möchten wir uns auch bei allen Bürger*innen für ihr Verständnis und Ihr Durchhalten in der Corona-Pandemie bedanken. Der Verwaltung danken wir für die unbürokratische Zurverfügungstellung gemeindeeigner Räumlichkeiten für Besprechungen, Mitgliederversammlungen und Vereinsaktivitäten. Sie haben wirklich alles möglich gemacht, was möglich zu machen war und ist. Trotz mancher Auseinandersetzung schweißt eine Notlage auch zusammen. Hierfür bedanken wir uns bei allen herzlich, insbesondere für die konstruktiven Beratungen im Rat und den jeweiligen Ausschüssen. Bei der Verwaltung für den Sparwillen und den pragmatischen Lösungsvorschlägen.
Wir verlassen das Jahr 2020 mit Demut und mit dankbaren Blick auf das bisher Erreichte und gehen zuversichtlich ins Jahr 2021. Bleiben Sie alle Gesund.
Die Fraktion stimmt dem Haushaltsplan und der Haushaltssatzung 2021 zu. Jedoch gibt es innerhalb der Fraktion Enthaltungen auf Grund der finanziellen Belastungen des Gewerbes in der Corona-Pandemie.
Michael Hornbruch
Fraktionssprecher